Gibt denn der Gesetzgeber hier keinen Rahmen vor?
Sonja Kardorf: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat zwar vor einigen Jahren ein „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ veröffentlicht, das als Kompendium unverbindlicher Verfahrensweisen („Good Practice“-Ansätze) angewendet werden soll. Die Erwartungshaltung der Aufsicht für eine praktische Umsetzung im Risikomanagement ist jedoch noch nicht hinreichend klar formuliert. Das gilt auch für die im Juni 2023 verabschiedete siebte MaRisk-Novelle für deutsche Institute. Sie enthält zwar die verpflichtende Vorgabe, nachhaltigkeitsbezogene Risiken explizit im Risikomanagementzyklus zu berücksichtigen, bleibt aber – was die konkrete Umsetzung anbelangt – noch unkonkret.
Wie finden wir denn vor diesem Hintergrund zu einem einheitlichen Verständnis und gemeinsamen Standards bei der Bewertung von Risiken?
Sonja Kardorf: Zunächst einmal arbeiten wir daran, innerhalb des Risikobereichs ein einheitliches Verständnis und einen gemeinsamen Wissensstand zu den unterschiedlichen Ausprägungen physischer und transitorischer Risiken herzustellen – wie zum Beispiel auf dem internen Risikotag 2023, an dem wir uns intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt haben. Auch eine einheitliche Begrifflichkeit ist wichtig, denn auch Begriffe können – etwa übersetzungsbedingt – unterschiedlich interpretiert werden. „Environment“ kann zum Beispiel allgemein „Umfeld“ oder konkreter „Umwelt/Natur“ bedeuten. Hier brauchen wir eindeutige Definitionen.
Eine allgemeingültige Guidance bietet uns intern zum Beispiel unsere „Nachhaltigkeits-Leitlinie“. Diese haben wir auf Basis unserer Haltung, wie auch im Abgleich mit unseren Peers-Vergleichs entwickelt und sie beinhaltet unter anderem eine Liste von Ausschlusskriterien.
Wir sind also auf dem Weg, müssen aber – in Ermangelung allgemeiner Standards – wie andere Unternehmen auch noch eigenständig die passenden Lösungsansätze für uns und unser Geschäftsmodell finden?
Sonja: Es gibt in der Tat noch nicht die eine richtungsgebende „Best Practice“, sondern ein Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze und Methoden. Dafür bestehen aber andererseits entsprechende Freiheiten in der Umsetzung. Wer sich heute als „Early Mover“ ernsthaft in der Tiefe mit ESG-Risiken befasst, kann früh wichtige Erfahrungswerte sammeln.
Dabei sind wir auch nicht allein, sondern intern und extern gut vernetzt. Im Risiko-Ressort stimmen wir uns beispielsweise sehr eng mit den Kolleginnen und Kollegen ab, die mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) betraut sind. Auch für sie sind die Analyse und Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken zentrale Elemente.
Auch außerhalb des Unternehmens sind wir im regen Austausch: Unsere Risikomanager und -managerinnen besuchen regelmäßig Fachkonferenzen und Tagungen, sind aktiv in Fachrunden der Verbände (insb. BDL und DSGV) und tauschen sich mit Risikoteams aus anderen Unternehmen aus. Und last but not least mandatieren wir zu ausgewählten Aspekten spezialisierte Berater – für den Branchenvergleich, aber auch für das Aufsetzen und Implementieren von Methoden.
So finden wir step by step die richtigen Lösungen für unser Geschäftsmodell und beteiligen uns in der Tat an der Definition künftiger „Best Practices“.