Die Konsequenzen
Die Forensik-Spezialisten fanden im Nachhinein heraus, dass der Angriff auf Marc O'Polo von langer Hand geplant war. Schon ein halbes Jahr bevor alle Bildschirme schwarz blieben, sind die Hacker in das System eingedrungen. Ein Mitarbeiter von Marc O'Polo ist mit seinem Laptop in einem öffentlichen WLAN auf einer gehackten Website gesurft und hat unbewusst einen bösartigen Link angeklickt, über den sie sich Zugriff aufs Firmennetzwerk verschaffen konnten. Danach haben sie eine sogenannte LOTL-Strategie verfolgt. Die Abkürzung steht für Living-Off-the-Land und bezeichnet ein Vorgehen, bei dem sich Cyberkriminelle zunächst monatelang unbemerkt im System ihres Opfers bewegen, um es kennenzulernen und den eigentlichen Angriff vorzubereiten.
Aus diesem Grund sei es 2019 die genau richtige Entscheidung gewesen, alles von Grund auf neu aufzubauen, sagt Thomas Lang. „Wenn man es mit einem Einbruch vergleicht und nicht weiß, ob der Angreifer einen Schlüssel mitgenommen hat, würde man alle Schlösser austauschen“, erläutert er. Genau das habe Marc O'Polo gemacht. Doch es gibt keine Blaupause. In einem anderen Fall, könnte die Lösung auch eine andere sein, etwa weil es technisch zu aufwändig ist oder die Zeit zu sehr drängt. „Inzwischen gibt es zum Beispiel Software, die wir auf Endgeräten installieren können und die wie ein zusätzliches Schloss funktioniert. Damit kann ich alles, was noch da ist und was noch funktioniert, sofort wieder benutzen.“
Hilfreicher als ein einmal vorgefertigter Masterplan in der Schublade, wie Unternehmen auf einen Cyberangriff reagieren, ist für Lang und Spethmann ohnehin etwas anderes: „IT-Sicherheit ist eine Haltung“, sagt Lang. Unternehmen müssten sich bewusst machen, dass sie trotz Firewall, Backups und modernsten Servern immer angreifbar bleiben. Oder wie Spethmann sagt: „Man kann sich nicht freikaufen.“ Auch Marc O'Polo hat seit dem Angriff viel in Technologie investiert. Mindestens genauso wichtig war es aber, dass Prozesse überarbeitet und die Mitarbeiter geschult wurden. „Die Menschen sind der wichtigste Faktor“, sagt Thomas Lang. „Die Awareness, dass sie Phishing-Mails, Fake-Links und potenziell gefährliche Dateien erkennen, muss immer wieder trainiert werden.“ Und den Anstoß dazu muss die Geschäftsführung geben.
So war es schließlich auch bei Marc O'Polo. Auf die Frage, ob es den einen Schuldigen für den Angriff gibt, hat Patric Spethmann vor dem Aufsichtsrat ein klares Statement gemacht: „Wenn das gesamte Wohl des Unternehmens von der Tagesperformance eines einzelnen Mitarbeiters abhängt, dann hat das System versagt."
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