Sie haben die Schnelligkeit als Faktor erwähnt. Wie stellen sich Unternehmen auf die gestiegenen Erwartungen ein?
Eberhard: Die Schnelligkeit erreichen diese Unternehmen vor allem durch die Optimierung ihrer Supply Chains. Das kann auf unterschiedliche Weisen geschehen. Beispielsweise rücken die Logistikunternehmen ihre Verteilzentren näher an den Endkunden heran, um die Wege abzukürzen – Stichwort „Regionalisierung“. Aber das Konzept einer „agilen“ Lieferkette ist weit mehr als das. Es setzt nicht nur auf kurze Lieferzeiten, sondern stellt die Lieferfähigkeit insgesamt sicher und achtet dabei noch auf Kosteneffizienz und niedrige Bestände. Steht die Lieferfähigkeit in der Planung der Supply Chain ganz oben, kommt auch der Schienengüterverkehr wieder stärker ins Spiel. Denn die an den Grenzen stehenden Lastwagen, wie sie Herr Jung eben beschrieben hat, wollen die Unternehmen in Zukunft als Risikofaktor vermeiden. Die Logistiker werden nach meiner Einschätzung mittelfristig eher erfolgreich auf die Krise reagieren.
Jung: Eine Antwort auf diese Herausforderung, und ein Beispiel dafür, dass die Corona-Krise auch im Schienengüterverkehr auch zu Veränderungen führt, ist die neue Strategie der Bahn. Die Erfahrungen während der Pandemie haben auch dazu beigetragen, dass die Güterbahn wieder verstärkt auf den Einzelwagenverkehr setzt und will damit einen größeren Anteil an der Wertschöpfungskette über die Schiene abbilden, von der Abholung im Produktionsbetrieb idealerweise bis zur Auslieferung beim Kunden. Die Pandemie hat bzw. wird nach meiner Auffassung die Entwicklung des Schienengüterverkehrs positiv beeinflussen. In diesem Segment sieht man Wachstumschancen, und das Unternehmen ist bereit, in weit komplexere logistische Prozesse einzusteigen, als dass bisher der Fall war. Eine weitere Rolle bei dieser strategischen Entscheidung spielt auch der Wunsch der Bundesregierung, aus ökologischen und ökonomischen Gründen mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen.