Auch der Finanzbranche wurden und werden solche radikalen Umwälzungen immer wieder vorhergesagt. Zahlreiche Startup-Unternehmen in der Finanzdienstleistungsbranche sind in den vergangenen Jahren angetreten, um die Spitzhacke dieser kreativen Zerstörung zu führen. Doch ist diese in der Form, wie das in anderen Branchen der Fall ist, nicht eingetreten. Das liegt zum einen an den hohen regulatorischen Anforderungen der Finanzbranche, zum anderen schlafen ihre Player keineswegs und sorgen selbst für Innovationen. Auch die Leasingbranche basiert schließlich auf einer Idee, die bei ihrer Einführung eine ganz neue Lösung für die Bedürfnisse von Unternehmen darstellte. Dass die Nutzung von Investitionsobjekten nicht zugleich das Eigentum an ihnen voraussetzt, stellte damals für weite Teile der Wirtschaft durchaus einen Paradigmenwechsel dar. Heute gehört Leasing zu den Standardlösungen, und die Deutsche Leasing war eines der Unternehmen, das diese Innovation beim deutschen Mittelstand bekannt gemacht, erfolgreich am Markt platziert und auch ständig weiterentwickelt hat. Regulatorische Rahmenbedingungen, technologische Möglichkeiten, Anforderungen von Kunden und Geschäftspartnern und nicht zuletzt eigene Kreativität führten regelmäßig zu Ideen und Innovationen, die sich am Markt durchgesetzt haben.
An Wertschöpfung angepasste Kosten
Zu einer dieser neuen, zunächst eher technologisch getriebenen Ideen gehört „Pay-per-use“, eine Finanzierungslösung, die nicht auf einer pauschal geplanten, sondern der konkreten Nutzung eines Objektes basiert. Die steigende Verfügbarkeit von Sensoren und Vernetzung im industriellen Umfeld, die Möglichkeit, Daten in Echtzeit in die Cloud zu schicken, stark gestiegene Rechenleistung und optimierte Algorithmen erlauben heute, Produktionsdaten auf Maschinenebene effizient, umfassend und zielgerichtet auszuwerten. Im Sinne des Pay-per-use-Ansatzes können die Daten dazu genutzt werden, die Kosten der eingesetzten Maschinen aufgrund der tatsächlichen Nutzungsintensität zu einem variablen und unmittelbar berechneten Bestandteil der Kalkulation zu machen, die sich der jeweiligen aktuellen Produktionsauslastung und damit auch Wertschöpfung eines Unternehmens anpasst.
Auf eine sehr einfache Formel gebracht bedeutet Pay-per-use: Eine Maschine schickt aus der laufenden Produktion eines Kunden Nutzungsdaten an ihren Hersteller. Dieser gibt Daten an die Leasinggesellschaft weiter, die daraus die Rate berechnet, die für die Nutzung der Maschine zu bezahlen ist. Wird viel produziert, ist die Rate hoch, wird wenig produziert, ist sie niedriger – mit allen positiven Konsequenzen für die Ergebnisrechnung und vor allem den Cashflow des Kunden. In der Praxis ist das natürlich komplizierter und bedarf der sorgfältigen Abwägung vieler verschiedener Elemente der Finanzierungslösung. Hierbei geht es auch darum, den Umgang mit unternehmerischen Risiken und einer adäquaten Preiskalkulation zu klären. Doch vor dem Hintergrund einer sich zur Version 4.0 transformierenden Industrie, deren „Smart Factories“ sich durch die massenhafte Sammlung und Auswertung von Daten von traditionellen Fabriken unterscheiden, ist Pay-per-use eine vielversprechende Idee für unsere Branche und für viele mittelständische Unternehmen.
Daten zu Nutzung und Zustand
Erst durch ihre marktfähige Umsetzung wird aus einer Idee eine Innovation: Gemeinsam mit unserem langjährigen Partner Bystronic, einem der weltweit führenden Anbieter für die Blechbearbeitung, haben wir in den vergangenen Monaten ein entsprechendes Pilotprojekt entwickelt und an den Start gebracht.
Die Kunden von Bystronic nutzen dabei Laserschneidanlagen, die dank entsprechender Schnittstellen in der Lage sind, Daten an den Hersteller zu übermitteln. Damit die Deutsche Leasing eine Gesamtrate für die eingesetzte Maschine ermitteln kann, leitet Bystronic ausgewählte Daten an uns weiter. Dabei erhalten wir nicht nur Auskunft darüber, wie stark die Maschinen genutzt werden, sondern auch Informationen über ihren technischen Zustand. Gerade letzteres erlaubt es, die nötigen Wartungs- und Servicearbeiten auf gleiche Weise zu flexibilisieren und der tatsächlichen Nutzung anzupassen. Mittels geeigneter Daten ist sogar eine vorausschauende Wartung, Predictive Maintenance, möglich. Im Rahmen der Vereinbarung zwischen dem Finanzierungspartner Deutsche Leasing, dem Hersteller Bystronic und dem Kunden werden also nicht nur die für die Maschinennutzung anfallenden Kosten berechnet, sondern auch notwendige Wartungsarbeiten an der Maschine geplant, die ebenfalls von der monatlichen Gesamtrate abgedeckt werden.
Vertrauen ist Voraussetzung
Diese Innovation auf dem Markt der Investitionsfinanzierung erlaubt es, das Dreiecksverhältnis aus Kunde, Hersteller und Finanzierungspartner auf eine Weise dynamischer und flexibler zu gestalten, die ohne die Digitalisierung nicht möglich wäre. Wichtig dabei ist, dass eine Finanzierungslösung wie diese ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Vertragspartnern voraussetzt. Und das gilt nicht erst in der Praxis, sondern bereits während der gemeinsamen, konzeptionellen Entwicklung der Finanzierunglösung. Allein der Schutz der übertragenen Daten vom Kunden zum Hersteller und die daraus resultierende Kalkulation der monatlichen Nutzungsgebühr verlangen nach einem besonders sorgfältigen und vertrauensvollen Umgang. Bei dieser Pay-per-use-Lösung werden weder personenbezogene Daten erhoben, noch technische Informationen übertragen, die eventuelle Rückschlüsse auf die hergestellten Produkte zulassen würden.
Das partnerschaftliche Verhältnis aller Beteiligten ist in diesem Stadium der Entwicklung und Pilotierung der Lösung besonders wichtig, denn ein großer Teil der Arbeit an der Ausgestaltung und Optimierung von Produkten wie Pay-per-use liegt noch vor uns. Alle Teilnehmer werden in den kommenden Jahren ihre Erfahrungen sammeln und daran arbeiten, die sich bietenden Möglichkeiten auszuloten. Schließlich hat jede Branche ihre besonderen Anforderungen und jeder Kunde sein individuelles Geschäftsmodell. Beide Aspekte werden einen großen Einfluss auf die Gestaltung der jeweiligen Verträge haben.
Partnerschaft vor Technikverliebtheit
Als ein mittelständisches Unternehmen im Verbund der Sparkassen-Finanzgruppe setzen wir bei der Entwicklung von Finanzierungslösungen auf die gemeinsame Arbeit mit unseren Partnern aus der mittelständischen Industrie. Diesen Ansatz haben wir schon in der Vergangenheit konsequent verfolgt und unsere Kenntnis von Branchen, Geschäftsmodellen und Investitionsobjekten eingesetzt, um unsere Lösungen weiterzudenken und zu optimieren, Bestehendes zu hinterfragen oder völlig Neues auszuprobieren. Das wird sich mit der Digitalisierung und ihren Möglichkeiten nicht ändern. Im Gegenteil: In Zeiten eines technologischen Umbruchs mit einem noch ungewissen Ergebnis, ist es umso wichtiger, dass alle Akteure – Kunde, Hersteller Finanzdienstleister– gemeinsam an Lösungen arbeiten, sich vernetzen und ihre Kräfte und Kompetenzen sinnvoll bündeln.
Bereits frühere Technologiewechsel haben gezeigt, dass nicht alles, was technisch möglich ist, auch den Kundenwünschen entspricht oder für ihre Bedürfnisse relevant sein muss. Übereilte und am Markt vorbei geplante Entwicklungen binden wertvolle Ressourcen auf allen Seiten und sind in diesem Sinne für alle gleichermaßen kontraproduktiv. Deshalb brauchen der deutsche Mittelstand und seine Finanzierungspartner weniger die Disruption, sondern eine evolutionäre und partnerschaftliche betriebene Weiterentwicklung der Finanzierungslösungen. Die jetzt gemeinsam mit Bystronic gestartete Pay-per-use-Lösung ist für dieses gemeinsame Vorgehen ein gutes und vielversprechendes Beispiel. Und es zeigt, dass Leasinggeschäfte mit ihrer DNA genau in die Zeit passen: Der Grundgedanke Nutzung statt Eigentum wird Kern vieler Konzepte in der Zukunft sein.