von Andreas Dengel, KI-Forscher
Die Digitalisierung mit ihren datenbasierten Technologien bietet Unternehmen die Chance zu einem tiefgreifenden Wandel, aus dem sie gestärkt hervorgehen können: zur digitalen Transformation. Sie müssen diese Chance nur ergreifen, und das „Müssen“ ist an dieser Stelle ganz ernst gemeint. Wirtschaftliche Schwergewichte wie China oder die USA beweisen mit den immensen Anstrengungen gerade auf dem Gebiet der KI, der Künstlichen Intelligenz, wie ernst sie das Thema sogar auf einer nationalen Ebene nehmen und welchen zentralen Stellenwert sie ihm für eine zukünftig gute Positionierung in der globalen Wirtschaft beimessen.
Noch haben die deutschen Unternehmen und insbesondere der deutsche Mittelstand in diesem Wettbewerb gute Chancen auf ein neues und nachhaltiges Wachstum. In ihren Segmenten sehr gut aufgestellt, oft sogar Weltmarktführer, verfügen die meisten bereits über die Grundlage für eine erfolgreiche digitale Transformation: Daten. Jedenfalls theoretisch. Denn drei weit verbreitete Defizite hindern Unternehmen daran, ihre Daten mit ihren Geschäftsprozessen zu verknüpfen und eine neue Wertschöpfung zu generieren.
Drei Herausforderungen für die Digitalisierung
Erstens betreiben sie eine IT-Infrastruktur, die sich historisch gewachsen zu einer komplexen und heterogenen Systemlandschaft entwickelt hat. Diese aufzubrechen bedeutet immer eine substanzielle Investition, die in ihrem Umfang für die Unternehmen
oft schwer abzuschätzen ist und deshalb nur zögernd angegangen wird. Der Umbau der IT-Infrastruktur ist jedoch ein unbedingt notwendiger Schritt und eine der Voraussetzungen für weiteren Erfolg. Nur eine auf die digitale Transformation abgestimmte Systemlandschaft erlaubt den souveränen Umgang mit den verfügbaren Daten.
Zweitens mag die verfügbare Datenmenge in den meisten Unternehmen bereits immens sein, es fehlt jedoch oft die Expertise, um aus dem Rohstoff einen Beitrag für die Wertschöpfung zu generieren. Eine der Grundvoraussetzungen dafür ist die Datenqualität, die in vielen Unternehmen einen noch nicht ausreichenden Stand erreicht hat. Manchmal fehlt es schon am Wissen, welche Daten überhaupt vorliegen und wo sie sich befinden. Hier die nötige Transparenz zu schaffen ist ein erster notwendiger Schritt auf dem Weg zur digitalen Transformation.
Drittens fehlt es am notwendigen Verständnis für eine realistische Bewertung von Chancen und Risiken der Digitalisierung. Dabei profitieren viele Branchen bereits von der digitalen Transformation, beispielsweise die Landwirtschaft, die hier im deutschen Mittelstand eine Vorreiterrolle einnimmt. Die Anwendungen reichen vom autonomen Fahren eines Traktors oder einer Erntemaschine bis zur Verwertung von Daten wie Durchflussmessung, Feuchtigkeit, Qualität und Ertrag der Ernte, die individuelle Anpassungen für die Behandlung jedes einzelnen Feldes ermöglichen. In der Automotive-Branche gehört die Nutzung von KI bei der Teilefertigung zum Standard, beispielsweise durch eine visuelle Qualitätskontrolle, die auf Bilderkennung und Deep Learning basiert. Teilautonomes Fahren ist bereits heute möglich und wird in Zukunft eine wachsende Rolle spielen. KI-basierte Systeme in der Medizintechnik modellieren Organe auf Basis von Daten aus MRT-Scans, finden eventuell vorhandene Tumore und machen Diagnosevorschläge. Die Life-Sciences- und Pharmaindustrie profitiert von KI im Genehmigungsprozess von Medikamenten durch Generierung von Dokumenten oder bei der Analyse von Zellkulturen durch bildverarbeitende Verfahren. Die vielen heterogenen, datenbasierten Prozesse im Gesundheitsmanagement zeigen ebenfalls hohes Optimierungspotenzial durch die Digitalisierung. Auch die Finanzbranche nutzt die Technologie bereits bei der Risikoabschätzung, für Churn-Analysen und KI-gestützte Chatbots für die Interaktion mit den Kunden.