Das heißt, der Mittelstand von morgen muss sich anders aufstellen?
Der deutsche Mittelstand an sich ist adaptiv. Das hat er in vergangenen Krisenzeiten immer wieder unter Beweis gestellt. Sei es zuletzt zu Beginn der 2000er, als Deutschland noch als „kranker Mann Europas“ galt, oder im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit des deutschen Mittelstands ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, auf der nicht zuletzt der Erfolg des vergangenen Wirtschaftsjahrzehnts Deutschlands ruht. Wenn wir vom deutschen Mittelstand sprechen, sprechen wir von über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland, der knapp zwei Drittel aller Arbeitnehmer beschäftigt. So haben wir beispielsweise einen starken Maschinenbausektor und weitere traditionelle, im Markt etablierte Industriebranchen, die für sich hochtechnisiert, in Teilen spezialisiert und weltweit mit ihren internationalen Aktivitäten vernetzt sind. Ich bin davon überzeugt, dass diese Fähigkeiten auch in einer „Post-Corona-Ära“ bedeutsam bleiben. Gegebenenfalls werden Lieferketten um lokale Zwischenlager erweitert. Ein grundlegendes Zurückdrehen der internationalen Ausrichtung der deutschen Industrie sehe ich hingegen nicht – das wäre weder leistbar noch wirtschaftlich sinnvoll. Die globalen Wirtschaftsstrukturen werden sich verändern, auch im Sinne von mehr Nachhaltigkeit für Gesellschaft und Umwelt. Eine Abkehr von der Globalisierung würde aber erhebliche Wohlstandsverluste für alle nach sich ziehen. Was wir allerdings in den kommenden Monaten und Jahren sehen werden, ist eine Phase der Konsolidierung von Unternehmen. Wir werden einen Trend zu größeren unternehmerischen Zusammenschlüssen, Partnerschaften und Allianzen sehen. Diese Entwicklung wird durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie aktuell begünstigt. Die ursächlichen Gründe dafür liegen aber tiefer im bereits angesprochenen Strukturwandel. Darauf erfolgreich zu reagieren, gelingt denjenigen, die es schaffen, den Spagat zwischen ausreichend finanziellen Mitteln und parallelem Veränderungsdruck und damit einhergehenden Zukunftsinvestitionen zu meistern.